Dienstag, 16. Juli 2013

Unser großer Tag: Bericht über hohen Besuch und ein tiefes Loch


Es sollte der wichtigste Tag unseres Aufenthaltes in Porto werden: Freitag, der 12. Juli. Der Tag, an dem die Brunnenbohrer auf unserem Grundstück Wasser finden sollten. Und der Tag, an dem der Gouverneur von Piauí in Porto erwartet wurde. Wir wollten dem Oberhaupt des Bundesstaates unser Projekt vorstellen und hofften auf seine Unterstützung.
Es war ein sonniger Tag. Als die vier Arbeiter des Bohrtrupps morgens auf unsere Plantage fuhren, brannte die Sonne bereits kräftig. Eine wilde Herde Ziegen und einige Wildschweine, die durch den beschädigten Zaun auf unser Grundstück gekommen waren, flüchteten vor dem LKW. Dutzende Libellen schwirrten um unsere Köpfe herum, am Himmel segelte ein Urubu, der Geier Brasiliens, elegant seine Runden.
Der Hochbehälter für die Bewässerung soll am oberen Ende der Plantage aufgestellt werden, damit das Wasser nur durch Schwerkraft zu den einzelnen Pflanzen fließt. In unmittelbarer Nähe wollten wir den Brunnen bohren.
Nachdem die Männer des Bohrtrupps ihre Maschinen aufgestellt hatten, setzten sie erstmal einen Fleischtopf für ihr Mittagessen auf den mitgebrachten Gasherd und versorgten uns mit Cafezinho. Aldo formte einen Ast zu einer Wünschelrute und ging damit über das Gelände. Die Rute schlug unweit der gewünschten Stelle aus. Der Bohrpunkt war bestimmt.
Während die Arbeiter die Bohrung vorbereiteten, führte Aldo uns durch das Dickicht außerhalb der Plantage. Dort liegt ein noch ursprünglicher Palmenwald und wir mussten etliche Höhenmeter zurücklegen. Dieser Teil des Grundstückes, insgesamt zwei Drittel der Fläche, sollen unberührt bleiben.
Boden in 6, 11, 16 und 21 m Tiefe
Aldo mit Wünschelrute
Um 11.00 Uhr setzten die Arbeiter den druckluftbetriebenen Bohrer an. Er machte einen ohrenbetäubendem Lärm. Die ersten sechs Meter gingen sehr schnell, leuchtend gelber Sand spritzte nach oben. Dann wurde der Boden dunkler, wir bohrten durch eine Tonschicht. Das Gesteinsmehl wurde feucht, wir wurden schon ein wenig euphorisch. Nach elf Metern stießen wir wie erwartet auf Stein. Das Tempo der Bohrung wurde deutlich langsamer, es ging nur noch zentimeterweise voran. Alle fünf Meter musste das Bohrgestänge verlängert werden. Bei 16 Metern zogen die Männer den 17 Zentimeter dicken Bohrer heraus und führten blaue Rohre in das Bohrloch ein. Unterhalb dieser Tiefe werden die Rohre im Stein nicht benötigt. Die Bohrung kann mit einem dünneren Bohrer und damit etwas schneller fortgeführt werden.
Als wir nachmittags erneut auf die Plantage kamen, waren die Arbeiter bereits bei 85 Metern Tiefe. Von Wasser war jedoch bislang keine Spur. Wir hatten die ersten Wasserschichten bereits bei einer Tiefe von 40 Metern erwartet. Auch die Jugendlichen, die die Arbeiten anschauen wollten, waren enttäuscht. Bei 100 Metern Tiefe wurde die Bohrung abgebrochen. Hatten wir einfach nur Pech gehabt und einen besonders großen und dichten Fels erwischt und nur ein Meter weiter wäre Wasser gewesen? Oder gab es in diesem Bereich der Plantage kein nutzbares Grundwasser? Sollten wir rund 5.000 Euro für diese Bohrung buchstäblich in den Sand gesetzt haben?
Der Gouverneur ließ auf sich warten. Planmäßig sollte er um 13.40 Uhr in Porto eintreffen. Niemand wusste, wann er wirklich kommen würde. Wir warteten am Ortseingang – eine Stunde, dann zwei, schließlich drei. Wieder Frust. Das Programm musste kräftig zusammen gestrichen werden, wir würden wohl keine Gelegenheit haben, ihm unser Projekt vorzustellen. Für die Vorführung unserer kleinen Solaranlage würde es schon zu dunkel sein.
Schließlich kam der Gouverneur mit einem großen Wagentross amerikanischer Pick-Ups mit schwarzen Scheiben. Ich wurde ihm vorgestellt und er scheuchte alle anderen Personen fort, mit denen er sich zum Gruppenfoto aufgestellt hatte. Die Kameras klickten. Als er unsere Jugendlichen entdeckt hatte, winkte er sie für ein Foto zu sich, küsste die Mädchen und gab sich sehr freundlich und jovial. Er erzählte, dass er 1985 sechs Monate in Berlin war und dort in einem Krankenhaus als Arzt gearbeitet hätte. Da hatten wir schon mal eine Verbindung. Trotzdem war es eine recht merkwürdige Situation.
Der Gouverneur von Piauí schreibt uns ein Grußwort.
Anschließend besuchte der Gouverneur das örtliche Krankenhaus und fuhr zu einer Schule, wo viele Stühle und ein Podium aufgebaut waren. Ich wurde als „Presidente do Brasil09“ (der deutsche Begriff „Vorsitzender“ klingt vergleichsweise langweilig) namentlich begrüßt und sollte auf dem Podium Platz nehmen. Unsere Jugendlichen saßen mit ihren gelben Projekt-T-Shirts gleich in der ersten Reihe. Die Politiker aus Porto hielten Reden, der Gouverneur begrüßte noch einmal ausführlich unsere Gruppe, sprach von seiner Zeit als Arzt in Berlin-Steglitz und von der großartigen Leistung der Deutschen, die beiden Staaten zu vereinigen. Außerdem versprach er unter großem Jubel eine deutlich bessere Ausstattung des örtlichen Krankenhauses und den Aufbau zusätzlicher Gesundheitsstationen.
Bevor der Gouverneur ging, konnte ich ihn gerade noch um einen Eintrag auf einem provisorischen Zettel für unser Goldenes Buch bitten. Während er schrieb, erläuterte Monica kurz unser Projekt und ging auf die Solaranlagen ein, die wir als Pilotprojekt in Porto aufstellen wollten. Er zeigte sich sehr interessiert, gab mir seine Visitenkarte und bat darum, ihn noch einmal ausführlicher per E-Mail zu informieren. Er hätte selbst auch schon ein Solarprojekt und würde da gern mit uns zusammenarbeiten. In seinem Grußwort auf dem Zettel habe er das ebenfalls geschrieben.
Schlagartig wandelte sich dieser frustrierende Tag in einen Erfolg. Wir müssen nur noch seine äußerst schwer zu lesende Schrift entziffern und übersetzen, dann werden wir ihm kurzfristig antworten.
Mit schwerem Gerät finden wir in 117 m Tiefe Wasser.
Am Samstagmorgen ließ Aldo die Bohrung auf der Plantage noch etwas tiefer treiben. Bei 117 Metern war der Fels endlich durchstoßen. Wasser sprudelte mit großem Druck aus dem Bohrloch. Was für eine Erleichterung! Fast hätten wir aufgegeben. Innerhalb von fünf Stunden pumpten wir 10.000 Liter Wasser hoch, die für die Plantage benötigte Tagesration.
In Brasilien muss man Geduld haben und warten können. Dann wird alles gut!
Peter

P.s.: In Brasilien gibt es ein eigenes Verb dafür, dass etwas (zu) lange dauert. Es heißt demorar...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen