Freitag, 31. Juli 2015

„Fruchtige Hitze“



31.07.2015


Nach der Mittagspause sind Leona, Ella und ich zur „Casa das Frutas“ gelaufen. Ein Marsch in einer unglaublichen Hitze, doch wir sind doch noch angekommen - wenn auch sehr „feucht“. In voller Montur wartete Jackson schon auf uns, er drücke uns Latex-Handschuhe, Mundschutz, Schürze und ein Haarnetz in die Hand. So ausgerüstet legten wir los, die Früchte in einem übergroßen Mixer zu zerkleinern – es dauerte sehr lange. Das „Frucht-Wasser-Gemisch“ kam in einen Entkerner, er war sehr laut. Nach einem etwas längeren Zwischenfall ging es weiter. Jackson war ein Löffel in die Maschine gefallen, wir mussten sie komplett auseinanderbauen und reinigen. Der Löffel war sehr verformt - was wir daraus schließen? Die Maschine hat eine „Bärenstärke“. Dann ging es aber auch schnell weiter und wir hatten alles entkernt. Das Mus wurde in Tüten umgefüllt, was schwieriger war als man denkt - Ella und Leona können das bestätigen. Ich habe die Tüten dann verschweißt und in einem Eimer gesammelt. Am Ende wurden es 54 Tüten mit frischem Polpa, die reif für die Tiefkühltruhe war. Nach einem kurzen Putz-Marathon waren wir dann auch fertig und gönnten uns einen großen Schluck Wasser, Befreiung von der Klamotte und etwas frische Luft, zu viert wird es schnell stickig in einem kleinen Raum ohne Fenster. Am Ende des Tages gingen wir, mal wieder etwas verschwitz aber mit dem Gefühl wieder etwas geschafft zu haben, nach Hause.
Jonas-Karim
Hhmmmh! Das ist wirklich leckerer als es aussieht!

Unsere Unterkunft




Wenn man von unserem Jugendzentrum Richtung Praça geht, dann kommt man unweigerlich an unserer Unterkunft vorbei, sie liegt genau in der Mitte. Die hohe Mauer und das rote Tor sollen uns vor unliebsamen Blicken und Einbrechern schützen. Unser Haus ist sehr groß. Neben der Küche und unserem Essensraum gibt es ein Mädchen- und zwei Jungenzimmer. Die Aufteilung war schnell geklärt, die vermeintlichen Gentlemans überließen uns Ladies das größere Zimmer mit zugehörigem Bad. Wie sich schnell herausstellte, jedoch nur, weil das Bad keine Tür hat. Schnell fanden wir uns mit der Tatsache ab, denn dafür ließ sich die Tür bei den Jungs nicht schließen.
Da wir den ganzen Tag im Centro sind und arbeiten, haben wir zwei sehr sympathische Damen engagiert, die uns gekonnt bekochen. Es sind die Mütter von Neto und Marcello, Docamarmo und Mary. Für den leckersten aller leckersten Nachspeisen, Mousse de Maracuja, sorgt Marcello - dafür würden wir ihn glatt heiraten. Marcello hat eine ganz besondere Eigenschaft, neben dem spitzenmäßigen Kochen und Backen, er versteht dich auch ohne Worte. Ein Blick genügt und er bringt dir alles, was dein Herz begehrt. Neto sorgt immer für gute Stimmung, egal ob auf Portugiesisch, Englisch, Deutsch oder Französisch, einen Spruch hat er immer auf den Lippen. Die beiden sind immer bei uns, auch in der Nacht bleibt einer von ihnen immer hier und passt auf uns auf.
Glückerlicherweise ist der Großteil unserer Gruppe, von unserem letzten Besuch hier in Porto, damit vertraut, dass es mal kein Wasser zum Duschen, Spülen und Waschen gibt. Denn schon am ersten Abend mussten wir Mädchen feststellen, dass kein Tropfen Wasser aus dem Hahn kommt. Händewaschen und Zähneputzen wurde also zu den Jungs verlegt. Auch der Dusche ließ sich nur wenig Wasser entlocken, es reichte allerdings um mit ausreichender Geduld sauber zu werden. Nach nur zwei Tagen jedoch, blieben fast alle Duschen und Wasserhähne trocken. Bis auf einen Wasserhahn, auf Schienbeinhöhe. So konnten wir uns immerhin Eimer auffüllen und uns mit Bechern duschen. Inzwischen tropft es aber ab und an mal wieder aus Duschen und Wasserhähnen.  
Leona

Heute: Tiere, Mehlpfannkuchen und hitzige Diskussion



29.07.2015

Wie jeden Morgen geht es früh los ins Centro, um wieder dort weiterzumachen, wo wir gestern aufgehört haben. Wir räumen die Geräte raus und machen uns bereit zum loslegen, aber dann sehen wir es: kaputte Steine!!!!
Die Steine, die wir gestern sorgfältig in Reih und Glied zum Trocknen aufgereiht haben, sind durchzogen mit kaputten Brocken. Anscheinend ein Tier. Erst die Ziege auf der Plantage, die die jungen Triebe wegmampfte, und jetzt das: es ist zum Mäuse melken!
Nach kurzer Frustration geht es weiter. Wir sortieren die kaputten aus und fangen wieder an zu ackern. Bald ist der Sand alle, ein dicker fetter Haufen Sand ist schon weggeschaufelt, gesiebt oder verarbeitet - so schnell sind wir!
Nach dem Mittagessen und vier erfolgreichen Stunden Arbeit an der Maschine ziehen Michel, Jackson, Raphael und ich los, um auf der Plantage zu arbeiten. Die kleinen Bäumchen brauchen wasserspeichernde Mulden, also wird gebuddelt, gegraben und gehackt. Nachdem alle Pflänzchen versorgt und alle T-Shirts nassgeschwitzt sind, geht es zurück nach Hause.
Hier warten wir auf Aldo, der mit uns eine Tour geplant hat. Als wir vamossen, springen alle auf die Ladefläche seines Pick-Ups und es geht zwanzig Minuten lang über sandige Pfade, asphaltierte Straßen und viele Schlaglöcher in ein kleines Dorf.
Hier zeigt uns Aldo eine „Communidade“, eine Dorfgemeinschaft, die zusammen nach dem Rezept der alten Indios aus Maniok Mehl zum Backen gewinnt. Es ist sehr interessant, wie die Bewohner des Dorfes ein bisschen wie in einer WG zusammen funktionieren. Es wirkt sehr harmonisch, wie die Gemeinschaft untereinander funktioniert.
Der Vorgang der Mehlgewinnung ist sehr kompliziert und bedarf vieler helfender Hände. Das ganze Dorf steht also zusammen, um aus dem saftigen, zuerst noch giftigen Maniok Mehl zu gewinnen.
Alle Vorgänge werden uns genauestens erklärt. Als wir wieder fahren, drückt uns einer der Bewohner eine Art Pfannkuchen, einen „Biju“ in die Hand. Vorher konnten wir sehen, wie er ihn über der Feuerstelle gebacken hat. „Ein sehr ulkiges Ding ist dieser Biju“, denke ich und schiebe mir den noch warmen Teig des nur aus Mehl bestehenden Pfannkuchens in den Mund. Ich bin erstaunt. Ich hätte eine trockene Masse erwartet, die ich nur schwer runter kriege, stattdessen schmeckt es richtig gut! Nicht schlecht Herr Specht!
Als wir wieder zu Hause sind, eröffnen wir eine Diskussionsrunde über das Thema Landflucht. Wir reden lange und viel und Ella kommt bei der ganzen Übersetzerei langsam ins Schwitzen. Es ist sehr interessant, was die Brasilianer über das sehr aktuelle Thema Brasiliens denken. Denn immer mehr Jugendliche bleiben nicht in ihren Heimatregionen, sondern ziehen los - in die großen Städte wie Sao Paulo, Brasilia oder Rio, um dort ihr Glück zu suchen. Das haben auch wir sehr stark gemerkt, als wir hier ankamen. Viele der früheren Freunde sind umgezogen, um zu arbeiten, zu studieren, oder weil sie geheiratet haben. In Porto gibt es keine Universität und kaum Arbeitsplätze. „Das Einzige was uns da bleibt, ist umzuziehen“, sagt Neto.
„Viel liegt auch an der Stromversorgung hier in Piaui“, erzählt Jackson: kein Strom- keine Firmen, keine Firmen- keine Arbeitsplätze, keine Arbeitsplätze- keine Jugendlichen…
Leonard

Trabalho,trabalho, trabalho!




28.07.2015

Trabalho,trabalho, trabalho!
Heute wurde gearbeitet, was das Zeug hält! Wir stehen ein bisschen unter Zeitdruck, weil wir am Ende unserer Reise in jedem Fall vor unserem eigenen, kleinen, bescheidenen Haus stehen wollen, uns die Liter Schweiß aus dem Gesicht wischen wollen und sagen können: Puuh geschafft! Deshalb haben wir uns vorgenommen, noch effektiver zu arbeiten. Jeder geht morgens mit voller Energie aus dem Haus, latscht die 100m zum Centro und kommt in der Mittagshitze, mit Schweiß und Zementresten verschmiert, zurück geschlurft. Dann gibt es Essen, eine kurze Siesta während der größten Hitze, wir tanken Energie und es geht wieder los.
Sand hacken, sieben, mit Zement mischen, Wasser dazu geben, wieder Sieben, pressen und dann hält man ihn auch schon in der Hand, den selbstgemachten Stein, den man später wie eine Pflanze gießen muss, damit er bereit ist für den Bau.
Die Produktion läuft immer besser! Wir schaffen, in guten Zeiten, etwa anderthalb Steine die Minute - wenn nichts daneben geht. Denn manchmal zerbrechen die vorerst noch bröseligen Steine. Dann dauert es nicht lange und es stehen mindestens drei Helfer neben dem Verunglückten, um diesen beim Auffegen zu helfen - nichts hält uns auf!
Ein Haus bauen ist etwas Feines; denn irgendwann steht man davor und sagt: „Das habe ich, oder das haben wir gemacht, das ist das Werk unser schwieligen Hände.“ Auf diesen Moment freuen wir uns jetzt schon, auch wenn noch eine Menge Arbeit vor uns liegt. Denn dann ist nicht nur die Konstruktion von uns, sondern jeder einzelne Stein durch uns entstanden. Bestimmt wird bei all der Sieberei jedes Sandkorn und jedes Krümchen Zement einmal von uns berührt - man kann also sagen, dass es ein Vollblutbrasil09haus wird, was auf uns wartet.
Abends wartete eine Überraschung auf uns. Mylla! Wir haben uns unglaublich gefreut, die frisch gebackene Braut in die Arme zu nehmen.
Uns ist zu Ohren gekommen, dass über den gestrigen Besuch beim Bürgermeister sehr schlecht berichtet wurde. Ein im Dorf sehr bekannter Journalist veröffentlichte bei Facebook kritische Artikel gegen Manin Geronco. Laut Orlando, so heißt der Journalist, sei der Empfang beim Bürgermeister mit Saft und Keksen unserem Projekt nicht angemessen. Beinah ganz Porto mokiert sich nun darüber. Eigentlich ja ganz nett von den Portuensern, dass sie uns einen größeren Empfang zugestehen, aber natürlich könnte jetzt unsere Beziehung zum Bürgermeister geschwächt sein. Wir müssen da unbedingt etwas machen! Ella wird einen Bericht auf Facebook veröffentlichen - auf Portugiesisch und Deutsch und widersprechen. Wir lassen uns nicht instrumentalisieren!
Später sind Leona und ich mit Allysson aufgebrochen, um uns mal wieder an den Versuch zu wagen, unseren Blog auf den neusten Stand zu bringen - ein grausames Unterfangen bei der Geschwindigkeit der Verbindung! Leona und ich bekamen furchtbar schlechte Laune - wir waren echt frustriert. Ich sogar so sehr, dass ich auf meinem Stuhl einschlief und nicht wach zu kriegen war - arme Leona!
Als es dann doch einigermaßen geklappt hatte, ging es zurück zu den anderen.
Die haben sich um das morgige Kulturprogramm gekümmert und hatten noch ein paar richtig gute Ideen!
Jetzt aber ins Bett - Gute Nacht!
Leonard

Mittwoch, 29. Juli 2015

Hoher Besuch beim Produktionsstart

27.7.2015


Ein wichtiger Tag erwartet uns, als wir heute noch ganz verschlafen aus unseren Betten kraxeln. Wir sind nämlich heute eingeladen, beim Bürgermeister Manin Geronço der regierenden Arbeiterpartei PT. Nachdem der kleine, wirklich nett aussehende Mann uns nach allen Regeln der Höflichkeit in seiner Stadt willkommen heißt, entschuldigt er sich für seine Verspätung. An seiner Stirn ist eine große Schramme, die immer noch leicht blutet und er erzählt uns, dass er, bevor er sich aufmachte uns zu begrüßen, einem Freund geholfen habe, dessen Teich wieder in Schuss zu bringen. Dabei habe er sich verletzt, das habe natürlich seine Terminplanung durcheinandergewürfelt.
Manin Geronço betont sehr eindringlich, wie wichtig unser Projekt für seine gesamte Stadt ist und dass er und seine Frau sich jedes Mal sehr freuen würden uns wieder willkommen zu heißen. Danach unterhalten wir uns lange über die Entwicklung, die Porto in der Zeit gemacht hat, seitdem es unser Projekt gibt. Denn jedes Mal, wenn mal wieder eine deutsche Gruppe nach Porto fährt, gibt es viel Neues, viel Entwicklung zu beobachten.
Natürlich sind diese Entwicklungen nicht immer positiv. So haben wir zum Beispiel von Neto gehört, dass es dieses Mal sehr viel gefährlicher in Porto geworden wäre und wir besonders aufpassen müssten, wo wir uns wann mit wem aufhalten. Wir fragen den Bürgermeister, woran das seiner Meinung nach liegt, dass die Gewalt so sehr ansteigt.
Was er uns da erzählt ist wirklich „muito interessante“, auch wenn er nach alter Politikertradition ein bisschen verallgemeinert und versucht um den heißen Brei herum zu reden. Nachdem wir immer mehr nachfragen, kommt er auf den Punkt. Die steigende Gewalt sei stark mit dem Drogenkonsum der Stadt verbunden, so Manin Geronço. Er sagt, dass auf diesem Gebiet dringend etwas unternommen werden muss.
Wir haben auch schon einmal überlegt, eine Antidrogenkampagne mit in unser Projektprogramm zu integrieren und fragen ihn, was seiner Meinung nach gebraucht würde, um dem Drogenkonsum entgegen zu wirken. Er sagt, dass man auch hierfür ein Centro einrichten müsste, um dort Süchtigen zu helfen, wieder von den Drogen wegzukommen. Außerdem plane er schon seit längerem, seine Stadt per Kameras überwachen zu lassen. 360°-Kameras an den großen öffentlichen Plätzen, diese Methode habe schon in vielen anderen Städten geholfen…
Neto und Marcelo kritisieren später seine Thesen stark. Sie sind keine Freunde der PT. Anders als Paulo und Jackson denken die beiden, die beliebteste Partei Brasiliens würde sich die Stimmen ihrer Wähler über das Sozialprogramm „bolsa familia“, mit dessen Hilfe schlechtverdienende Familien unterstützt werden, wenn sie ihre Kinder in die Schule und zur Gesundheitsvorsorge schicken, erkaufen. Neto ist auch der Meinung, dass diesen Familien (zu denen auch seine eigene gehört) nur zum Schein geholfen werden soll und in Wahrheit die Armen arm gehalten werden sollen, weil die Armen den größten Teil der PT-Wähler bildeten. Diesen politischen Diskurs verfolgen wir mit Spannung, jedoch müssen wir uns da raushalten.
Nach Handshakes und Fotos brechen wir zum Centro da juventude auf- tijiolos machen.
Manin Geronço begleitet uns und hat die Ehre, die ersten Steine mit der neuen Maschine zu pressen.
Die Produktion läuft an und besser könnte es kaum gehen. Keine Hände in den Hosen, keine Hände ohne Dreck und Blasen- SUPER!
Trotz Schweiß und Hitze ackern wir so weiter bis es Essen gibt. Danach gibt es eine kurze Siesta und die anderen ziehen wieder los. Leona, Flavia und ich bleiben in der Casa das Alemaos und versuchen endlich unseren Blog hochzuladen. Nichts zu machen- „Internete“ zu langsam. Wir brauchen mehr Zeit, aber der Laden macht dicht- dann halt morgen.
Simon und ich gehen „Futebol“ gucken- in der Sporthalle Portos geht immer die Post ab, da fallen einem fast die Augen aus, wirklich irre!
Danach Abendessen, Bett, Schlafen, Schwitzen, Träumen- Ende.