Donnerstag, 11. Juli 2013

Raubüberfall in Porto


Heute lassen wir an dieser Stelle auch unsere brasilianische Freundin Ana Paula zu Wort kommen. Sie ist am Dienstag Opfer eines Raubüberfalls geworden. Ein Vorfall, der uns sehr beschäftigt. Aus drei Blickwinkeln erzählen wir, was genau geschehen ist.

Überfallen: Ein Tag, den ich niemals vergessen werde
Gestern war kein guter Tag für mich, denn es ist etwas geschehen, was ich niemals vergessen werde und was mir nie zuvor passiert ist. Dabei war der Tag unächst so toll für mich, wirklich super. Am Abend war ich komplett glücklich. Ich war im Haus der Deutschen und unterhielt mich in der Küche mit Finjo, Nana und Marcelo. Es war verabredet, dass ich Nana nach Hause bringen würde. Sie wusch etwas dreckiges Geschirr ab, das sonst die Haushaltshilfen abgewaschen hätten. So würden Pretinha und Tante Ceica weniger Arbeit haben. Deshalb half ich ihr, mit Finjo, Nana und Marcelo quatschend und scherzend, um die Zeit zu vertreiben.
Als es schon fast elf war, sagte ich „Nana, lass uns gehen. Es ist schon spät und mein Pate Neto ist auf seinem Motorrad gekommen. Ich habe ihn gefragt, ob wir es nehmen dürfen. Wir können schon los...“ Danach fuhren wir, nahmen den Weg zu Nanas Haus und passierten wie üblich das Zentrum. Als wir fast bei Nana Zuhause waren, fragte sie: „Cousine, wirst du allein zurückkehren?!“ „Ja, ich werde schnell sein“, antwortete ich ihr. Und so kehrte ich um. Als ich die letzte Ecke vor dem Haus erreichte, drosselte ich die Geschwindigkeit um abzubiegen. Plötzlich steuerten zwei Männer mit einem Motorrad auf mich zu. Sie stoppten direkt vor mir, zielten mit einer Waffe auf mich und sagten „Gib mir das Motorrad und dein Handy!“ Ich sagte, „ich habe kein Handy“ und sie nahmen mir das Motorrad weg und brausten mit hoher Geschwindigkeit davon. Ich blieb zurück ohne zu wissen, was ich tun sollte und rannte, bis ich im Haus der Deutschen angekommen war. Verzweifelt fiel ich auf den Boden und fing an zu weinen. Ich erzählte, dass sie mir das Moto geraubt und mit einer Waffe auf mich gezielt hatten. Sofort herrschte ein riesen Auflauf. Jetzt geht es mir schlecht, denn das Motorrad war ja von meinem Patenonkel Neto.
Ana Paula, Mittwoch, 10. Juli 2013

Schock des Abends

Gestern Abend machten wir eine schreckliche Erfahrung, über die wir noch bis spät in die Nacht hinein diskutierten. Diese Erfahrung brachte jegliches Sicherheitsgefühl ins schwanken und ließ uns Porto aus einer ganz anderen Sicht erleben.
Einige von uns verbrachten den Abend in einer gemütlichen Bar und feierten den 23. Geburtstag von Jackson, während wir anderen krank zu Hause waren.
Gerade versuchten wir, mit Händen und Füßen, den Brasilianern klar zu machen, was „Klassenfahrt“ heißt, da stürzte mit einem Mal Ana Paula in die Küche. Sie warf ihre Flipflops von sich und sank weinend auf den Boden. Sofort begriffen wir, dass etwas Schreckliches passiert war. Mit wenigen Worten schilderte die Verängstigte, was geschehen war. Neto übersetzte, dass Ana Paula von zwei bewaffneten Männern überfallen worden war, die sie mit einer Pistole bedrohten und ihr das Motorrad entwendeten.
Schlagartig wurden alle befreundeten Brasilianer informiert und um Hilfe gebeten. Es dauerte nur wenige Minuten, da versammelten sich an die vierzig Brasilianer vor unserem Haus. Sie durchkämmten jeweils zu zweit die Stadt nach den unbekannten Tätern. Doch vergebens. Die Verbrecher stammten nicht aus Porto, wie fünf Augenzeugen berichteten.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde beteiligte sich endlich die Polizei an der Suche.
Doch auch die Hüter des Gesetzes konnten nichts ausrichten.
Bis heute ist die Suche vergeblich gewesen. Ana Paula ist immer noch wie gerädert, Netos Motorrad, für das er fünf Jahre arbeiten musste, ist wahrscheinlich für immer verschwunden.
Wir haben schon darüber nachgedacht zusammenzulegen und ihm so gut es geht den Schaden zu ersetzen.
Julie und Leonard

Sonne und Schatten
Jackson hat Geburtstag. Tagsüber brannte die Sonne bei über 30°. Abends feiern wir in einer fröhlichen Gruppe im Schein der Laternen auf der Wiese an der Praça. Deutsche und brasilianische Jugendliche verständigen sich mit Händen und Füßen und versuchen, die jeweilige Sprache der anderen zu verstehen und zu erlernen. Es wird viel gelacht, wir fühlen uns ganz eng verbunden. Heller kann für uns die Sonne gar nicht scheinen.
Plötzlich kommt Marcelo ganz aufgeregt mit seinem Motorrad angefahren. Er ruft den brasilianischen Jugendlichen etwas zu und sofort springen alle Jungs auf, rennen zu ihren Motos und rasen davon. Mylla bittet uns, sofort nach Hause zu kommen. Die Party ist vorbei.
Nach und nach erfahren wir, dass Ana Paula, eine sehr selbstbewusste, äußerst lebensfrohe 17-jährige Brasilianerin aus unserer Gruppe, bei einem bewaffneten Raubüberfall in der Nähe unseres Hauses ihr Motorrad abgeben musste und sich mit einem schweren Schock laut schreiend in unserem Haus auf den Boden geworfen hätte. Mit einem Mal ist es stockfinster für uns. Auch wir sind geschockt. Die Brasilianer sind entsetzt, dass ein solcher Vorfall so dicht neben uns passiert ist und haben Angst, nicht ausreichend für unsere Sicherheit sorgen zu können. Das bedrückt uns noch mehr. Es dauert lange, bis wir in dieser Nacht ins Bett kommen und schlafen können.
Auch am nächsten Morgen ist die Stimmung noch sehr bedrückt, bei Deutschen wie bei Brasilianern. Uns dämmert langsam, dass wir gemeinsam als Freunde noch sehr viel daran arbeiten müssen, dass die Sonne für uns alle wieder scheint.
Peter

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen