Freitag, 21. August 2015

Capoeira, Tanz und Theater



20.08.2015
Es wird wieder geschuftet, was das Zeug hält. Langsam werden unsere Handschuhe unnötig. Erstens sind sie schon wahnsinnig zerfleddert von dem ganzen Gearbeite und zweitens sind unsere Hände längst an die vielen Blasen gewöhnt, eine mehr oder weniger macht da gar keinen Unterschied mehr. Unsere T-Shirts gehen auch langsam zur Neige, Schweiß und Dreck sind ständige Begleiter unseres kleinen Arbeitsgüppchens. Wir haben längst die Illusion aufgegeben, man könnte gegen den Schmutz anwaschen und tragen zur Verwunderung unserer Freunde fast jeden Tag dieselben abgetragenen Sachen.
Morgens holen wir Tijolos aus dem Centro, schmeißen sie auf den Laster und tuckern ab, in Richtung Plantage. Auf der Hälfte des Weges, mitten auf der Pra
ça, gibt unser Truck den Geist auf - Vergaser versagt. Nach ein bisschen Gefrickel und ein bisschen Gefachsimpel geht es weiter. Auf der Plantage wird abgeladen und weiter herumgefuhrwerkt. Bald können wir mit dem Dach weitermachen!
Manchmal ist es schwer Arbeit zu finden, dann muss man sich was einfallen lassen. Irgendwo findet man dann nämlich doch was, außerdem sind Hände in den Hosentaschen doof und unsexy!
Gerade waren wir auf der Pra
ça. Hier hatte die Tanzgruppe von Simon, Eleany und Geovana Training. Wie die Wahnsinnigen haben wir gestaunt, als die Capoeratänzer durch die Luft gewirbelt sind. Wir haben uns zu ihnen in den Kreis gestellt undwie die anderen die Tanzenden angefeuert. Zwei sind dann immer in den Kreis geschaukelt und haben eine Show gezeigt, die uns noch lange in Erinnerung bleiben wird! Rückwärtssalto? Aus dem Stand? Kein Problem! Und wenn du wieder aufkommst im Takt der Musik weiter tanzen? Nichts leichter als das - so haben die Tänzer es auf jeden Fall aussehen lassen. Nach dem bombastischen Training sind wir, nun in Tanzstimmung, ins Centro. Hier haben wir mit ein paar unserer Freunde unsere Tänze getanzt. Wir müssen natürlich noch ordentlich üben, um den Capoeratänzern das Wasser reichen zu können, aber Spaß hat es trotzdem gemacht, die Hinternwackelei. Nachdem unsere Hüften schlapp gemacht haben, ging’s weiter mit Improtheater. Ziemlich schwer, ein Irrenhaus darzustellen, ohne das Benutzen der Muttersprache! Noch schwerer wird es, wenn man bei jeder Runde, einen der Spieler aus der Szene herausruft, und ein anderer seinen Platz einnehmen muss. Es hat den armen Jonas getroffen. Der stand dann irgendwann alleine auf der Bühne und musste sechs Rollen gleichzeitig darstellen. Ganz schön difícil! Der arme Bube hat´s dann aber trotzdem geschafft und steht jetzt überglücklich unter der Dusche - denn auch beim Theater schwitzt man sich die Seele aus dem Leib.
Gute Nacht!
Leonard (Locke der Boss)

Über Österreicher, Brasilianer und Fußball



19.08.2015
Leider gibt es immer wieder Probleme mit dem Internet. Unsere Berichte werden meistens ganz brav hochgeladen, aber mit den Fotos ist das so eine Sache… Das ist wirklich schade, denn jetzt ist unser Haus wirklich schon sehenswert! Die zwei Fenster sind fertiggestellt und nur noch ein paar Wände könnten ein paar Steine gebrauchen. Dann ist auch schon alles supi - an der Mauer. Doch dann müssen wir uns noch an das Dach wagen, und davor noch die Säulen komplett hochziehen – achja, und der Boden muss noch gegossen werden. Ich schreibe das mit einem ängstlichen Blick auf die Datumanzeige unseres Computers - hoffe wirklich, dass wir das in der kurzen Zeit packen!
Heute gab es eine lustige Überraschung auf der Plantage: Als wir alle mal wieder fleißig am transpirieren waren, Steine schleppten, sie mit Zement einschmierten, sie aufeinander bappten oder sonst irgendetwas machen, hupte es. Es hupt hier ständig, deshalb schaute niemand hoch und keiner nahm das heranfahrende Motorrad war. Als es jedoch auf einmal hieß: „Hallo, wie geht es euch?“ wurden alle hellhörig! Deutsch?! Nein Deutsch war das nicht, dafür klang es zu lustig. Österreichisch!
Österreichisch von einem waschechten Österreicher. Helmut lebt hier, bzw. in einer vierzehn Kilometer entfernten Stadt, nun schon seit zwei Jahren. Auch er ist per Kolping hier hergekommen und auch er hat sich in Brasilien verliebt, in Brasilien und in eine Brasilianerin, die jetzt seine Frau ist. Helmut erzählt uns viel über die Gegend. Über Einbrüche, gesprengte Banken und über die verlorene Weltmeisterschaft. Er erzählt uns, dass die meisten der Brasilianer mit dem Gefühl in das Turnier gegangen wären, in jedem Fall zu gewinnen. Und dass sie dann, als sie verloren haben, mit einem mal nichts mehr mit Fußball, Fahnen und Trikots zu tun haben wollten.  Vorher wäre hier alles noch mit Fahnen und Zeichen asphaltiert gewesen und ein Tag nach dem Spiel gegen Deutschland sah man in ganz Piauí nicht mehr als zehn Fahnen, erzählt Helmut. Von Neto haben wir gehört, dass geplant wurde, einen nationalen Trauertag an dem bösesten aller Datums angesetzt werden soll - mit schulfrei und allem drum und dran. Irgendwie ulkig, wie wahnsinnig wichtig Fußball für einige ist und wie sehr diese Identifikation mit dem Sport auch in eine negative, beinah depressive Richtung gehen kann!
                                                                                                                                
Leonard

Die Zeit rennt!



18.08.2015
Die Zeit rennt! Jetzt sind wir schon in der letzten Woche unseres Aufenthalts - kaum zu glauben! Unser Haus wird von Tag zu Tag größer und stabiler. Die Wände sind jetzt schon so hoch, dass wir heute ein Gerüst angeschleppt haben, als wir auf unsere Baustelle losgelassen wurden. Vorher sind wir noch ins Centro gedüst und haben wieder eine Ladung Tijolos auf unseren LKW geschmissen. Die neuen Steinen, die wir in diesem Jahr mit unserer Maschine hergestellt haben, sind sehr viel besser zu verarbeiten, weil sie gleichmäßiger groß sind. Schwuppi die wuppi geht es jetzt. Die Arbeiter, Francisco und Professor, müssen uns nun immer seltener die Handgriffe erklären, zwar sind sie nicht immer kompletti zufrieden mit uns und unseren leicht schrägen Wänden, doch die Arbeit flutscht immer besser!
Abends zocken wir, wie so oft, mit Gustavo, Joao Pedro, Pedro und Augusto ein bisschen Volley. Danach geht es, vor Dreck strotzend, unter die Dusche, aus der übrigens ab und zu eine Schlange herausguckt, dann auf die Pra
ça. Hier müssen wir Neto davon abhalten, nach Hause zu gehen, damit wir ihm um Mitternacht eine kleine Überraschungsfete bereiten können. Es gelingt uns, der Staunende wir mit Geschenken überhäuft und ordentlich umarmt und freut sich riesig.
                                                                                                                        Leonard

Endlich geht es vorwärts!



17.08.2015
Die Arbeit kratzt uns morgens mal wieder früh aus den Betten. Wir fahren, uns noch den Schlaf aus den Augen reibend, Richtung Plantage. Hier angekommen können wir unseren Augen kaum trauen. Freitag haben wir nicht gearbeitet, da waren wir ja in Barras, und deshalb haben wir Zeit aufzuholen. Wir dachten natürlich, die Baustelle so vorzufinden, wie wir sie am Donnerstag verlassen haben…
Doch zwei, von Aldo engagierte Arbeiter lächeln uns entgegen als wir, noch ganz bedröppelt, an unserem Haus ankommen. Mit Spachteln und Steinen ausgestatten stehen die beiden vor ihrem Werk, den Wänden, an denen sie, als wir in Barras waren, höher gezogen haben. Fast kniehoch sind sie jetzt, die drei Wände unseres kleinen Häuschens - wirklich beachtlich! Während des restlichen Tages sorgen wir dafür, dass sie noch höher werden. Als wir die Spachtel endlich sinken lassen, sind wir zufrieden. Die Mauern sind jetzt schon fast so groß, dass Flavia nicht mehr drüber gucken kann. Außerdem ist nun wirklich alles kompletti mit Erde aufgefüllt, was aufzufüllen war und die meisten der Säulen sind auch schon mannshoch!
Gleich geht’s ins Centro: danca danca. Obwohl wir beim Arbeiten schon energiemäßig ordentlich auf die Tube gedrückt haben, hält uns nichts davon jetzt auch kulturell einen draufzumachen! Vamos dan
çar!
                                                                                                                           Leonard

Geburstag am Strand



16.08.2015
Parabéns pra você, parabéns pra você!! Heute ist der Geburtstag von Jussi, der Verlobten von Raphael. Nachdem alle mal umarmt, geherzt und geknutscht haben und alle Geschenke überreicht sind, brechen wir zum Rio de Parnaiba auf. Mit dem Boot geht es zur gegenüberliegenden Sandbank. Raphael, Jackson und Paulo haben eine Plane mit. Wir sammeln Stöcker am Strand und bauen uns einen kleinen Schatten spendenden Unterstand. Wir sind ein eingespieltes Arbeitsgrüppchen und so dauert es nicht lange und wir können auch schon Platz nehmen. Hier verbringen wir unseren wohlverdienten Sonntag mit Planscherei und Fußball, kalter Coke und guter Musik mit unseren Brasileros. Wir müssen Kraft tanken und lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Als alle einen saftigen Sonnenbrand haben brechen wir unser Lager wieder ab - es ist spät geworden und wir verdammt rot.
Abends sitzen wir mit unseren Freunden an der Straße und gucken Leute. Das macht man hier oft in Brasilien. Es geht ganz einfach und macht viel mehr Spaß als man beim ersten Mal denkt. Man sitzt, vielleicht mit etwas zu trinken oder einer Stulle, vor seinem Haus und beobachtet die Leute. Es kommen immer mal wieder interessante Leute vorbei, man erkennt jemandem wieder, begrüßt, zeigt Daumen oder nickt sich zu. Ab und zu setzt sich jemand dazu und dann schnackt man sich nen Ast ab, über alles Mögliche; die neusten Neuigkeiten und den letzten Klatsch - sehr gemütlich.
                                                                                                                                Leonard