Donnerstag, 11. Juli 2013

Zwei Kirchen, zwei Welten


Am Sonntag wurden wir gleich zu zwei Gottesdiensten eingeladen. Morgens besuchten wir die katholische Messe. Hier war alles wie erwartet. Die Messe wurde feierlich mit viel Gesang und dem Abendmahl gehalten.
Katholische Kirche in Porto

Mir fielen die beiden Bürgermeister auf. Der alte zu meiner linken gab sich sehr ehrfürchtig und gläubig, wirkte jedoch auf mich so, als würde er es eher als Pflichtprogramm ansehen und seine Show abhalten. Der jetzige Bürgermeister wirkte ehrlicher auf mich, er und seine Frau hielten die Messe wie alle anderen ab, wobei aber auch sie in der ersten Reihe Platz genommen hatten. Am Ende der Messe sangen wir Brasil09ner gemeinsam den Kanon „Herr, gib uns deinen Frieden“, wobei wir uns in den Mittelgang der Kirche stellten und die Besucher der Kirche an den Händen hielten.
Abends besuchten wir den Gottesdienst der evangelisch-baptistischen Kirche. Diesen werde ich vermutlich nicht so schnell wieder vergessen.
Monica, Michael, Aaron, Julie, Taischa und ich folgten auch der zweiten Einladung. Wir betraten die „Kirche“ und merkten sofort, dass wir hier falsch waren. Der Pastor, oder vielmehr der, der am meisten redete, war angezogen wie ein schlechter Moderator einer noch schlechteren Lotterieverlosung. Vielleicht lag es an der Art seiner Bewegungen, an seiner Golduhr, an seinem komischen Anzug oder an der Art, wie er sich lässig an der Kanzel abstützte. Auch der Vorhang hinter ihm bot weder einen feierlichen, noch einen kirchlichen Anblick. Der Gottesdienst dauerte mehr als zwei Stunden, wobei seine Predigt die ganze Zeit von lautem Seufzen, Rufen, Stöhnen und Weinen unterbrochen wurde. Alles wirkte fremd und überzogen. Wie uns Monica übersetze, handelte die Predigt von der Kreuzigung Christi. Vielleicht hatte der Mann im Anzug seiner Gemeinde aufgetragen, den Schmerz der Kreuzigung nachzuempfinden, auf jeden Fall fingen alle wie auf Knopfdruck an zu schreien und steigerten sich bis ins laute Weinen hinein.
Der Mann im Anzug stachelte sein armes Publikum immer weiter an und quälte sie gefühlte vier Stunden lang mit seiner Predigt. Irgendwann wurde es uns zu bunt und wir verließen den „Gottesdienst“ nach zwei Stunden Dauerbeschallung völlig gerädert und mit dem dringenden Wunsch nach Erholung.
Leonard Ihßen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen